BGH: Internet-Shops müssen kurzfristig liefern
Immer wieder kommt es vor, dass Verbraucher in einem Internet-Shop ein aktuell beworbenes Produkt bestellen, dann aber geraume Zeit auf selbiges warten müssen. Nachfragen beim Händler können dann schon einmal ergeben, dass die Lieferfrist mehrere Wochen beträgt – statt erwarteter weniger Tage. Dabei sah es doch aus wie ein aktuelles Angebot…
Irreführung der Verbraucher? Ja, entschied der BGH.
Das entsprechende Urteil wird im folgenden auszugsweise und auf einzelne Aspekte beschränkt wiedergegeben:
BUNDESGERICHTSHOF
I ZR 314/02 – Internet-Versandhandel
§ 5 Abs. 5 Satz 1 UWG (§ 3 UWG a.F.)
Leitsatz:
Der von der Werbung eines Internet-Versandhauses angesprochene Durchschnittsverbraucher
erwartet in der Regel, daß die beworbene Ware unverzüglich
versandt werden kann, wenn nicht auf das Bestehen einer abweichenden
Lieferfrist unmißverständlich hingewiesen wird.
Tatbestand:
Die Parteien sind Anbieter elektrischer Haushaltsgeräte und stehen miteinander im Wettbewerb.
Die Beklagte bietet ihre Waren im Internet an. Sie warb am auf der Einstiegsseite ihrer Website u.a. für eine Kaffeemaschine „Jura Impressa“.
Die Lieferzeit für die Maschine betrug 3-4 Wochen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Bewerbung von nicht sofort zur Auslieferung
bereitstehenden elektrischen Küchenartikeln sei irreführend.
Das Berufungsgericht (Hanseatisches OLG) hat ausgeführt: Das Publikum entnehme der beanstandeten Werbung, daß die abgebildete Kaffeemaschine zur sofortigen Auslieferung bereitstehe, und werde in dieser Erwartung unstreitig getäuscht.
Eine Werbung sei irreführend, wenn die angebotene Ware, die zum persönlichen
Gebrauch bestimmt sei, entgegen der durch die konkrete Werbemaßnahme
hervorgerufenen Erwartung des Verkehrs zum angekündigten Zeitpunkt
nicht oder nicht in ausreichender Menge im Verkaufslokal vorrätig sei und
zur sofortigen Mitnahme bereitstehe.
Diese Verkehrserwartung gelte auch für
den Versandhandel mit elektrischen Haushaltsartikeln. Der Verkehr erwarte
angesichts der ihm geläufigen Gebräuche im Versandhandel, daß zum Verkauf
beworbene elektrische Haushaltsgeräte bei Eingang der Bestellung nicht erst
vom Verkäufer beschafft werden müssten, sondern unverzüglich versandfertig
gemacht und auf den Weg gebracht würden.
Das Verbot irreführender Angaben über die Lieferbarkeit von beworbener
Ware solle verhindern, daß der Verbraucher durch solche Angaben angelockt,
im Geschäft des Werbenden enttäuscht und gegebenenfalls veranlaßt werde,
andere Waren zu kaufen.
Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 UWG ist es irreführend, für eine Ware zu
werben, die unter Berücksichtigung der Art der Ware sowie der Gestaltung und
Verbreitung der Werbung nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der
zu erwartenden Nachfrage zur Verfügung steht. Diese Regelung findet ihre
Rechtfertigung darin, daß der Verbraucher erwartet, daß die angebotenen Waren
zu dem angekündigten oder nach den Umständen zu erwartenden Zeitpunkt
verfügbar sind, so daß die Nachfrage befriedigt werden kann. Die Vorschrift
des § 5 Abs. 5 Satz 1 UWG knüpft damit an die Grundsätze an, die die
Rechtsprechung zur Vorratshaltung im stationären Handel im Rahmen des § 3
UWG a.F. entwickelt hat.
Diese Grundsätze gelten in modifizierter Weise auch hinsichtlich der
Werbung für einen Versandhandel im Internet. Hier erwartet der Verbraucher in
der Regel, daß die beworbene Ware unverzüglich versandt werden kann, unabhängig davon, ob der Werbende die Ware selbst vorrätig hält oder sie bei
einem Dritten abrufen kann.
Der Verkehr erwartet bei Angeboten im Internet, die anders als Angebote
in einem Versandhauskatalog ständig aktualisiert werden können, mangels anderslautender
Angaben die sofortige Verfügbarkeit der beworbenen Ware. Die
Rücksichtnahme auf diese Erwartung des Verkehrs belastet den Unternehmer,
der einen Versandhandel betreibt und sein Warenangebot im Internet bewirbt,
nicht in unzumutbarer Weise. Es bleibt ihm unbenommen, durch geeignete Zusätze
auf einen bestimmten Angebotszeitraum oder Lieferfristen hinzuweisen,
wenn er nicht in der Lage ist, eine Nachfrage tagesaktuell zu erfüllen.
Mit Recht hat das Berufungsgericht daher angenommen, der von der
Werbung eines Internet-Versandhauses angesprochene Durchschnittsverbraucher
gehe bei zum Verkauf beworbenen elektrischen Haushaltsartikeln grundsätzlich
von einer sofortigen Lieferbarkeit der beworbenen Ware aus, wenn
nicht auf das Bestehen einer abweichenden Lieferfrist unmißverständlich hingewiesen
werde.
BGH, Urteil vom 7. 4. 2005 – Aktenzeichen I ZR 314/02
Vorhergehende Instanzen: Hanseatisches OLG Hamburg, LG Hamburg